Das folgende Interview dokumentiert die nicht vorhandenen Schutzmaßnahmen in der JVA Chemnitz und mangelhafte gesundheitliche Versorgung im Gefängnis. Am Beispiel eines Neuzugangs zeigt Sunny, welche Maßnahmen nicht getroffen werden und wie traumatisierend und unwürdig Menschen in Gefangenschaft „empfangen“ werden.
Interviewerin: Minonek, du bist 26 Jahre alt, kommst aus Sachsen und bist zu 7 Monaten Haft verurteilt. Seit wann genau befindest du dich in Haft
Miri: Seit dem 03.03. Ich wurde früh gegen 8 Uhr festgenommen und war dann seit ca. 9 Uhr in der JVA.
Interviewerin: Wie war das für dich, als du ankamst?
Miri: Grausam!
Interviewerin: Warum?
Miri: Ich kam in die Kammer und wurde von 4 – 5 Bediensteten in „Empfang“ genommen und von denen direkt in den besonders gesicherten Haftraum (BgH; Bunker) geschliffen.
Interviewerin: Hat man dir gesagt warum?
Miri: Nein! Bis heute weiß ich es nicht.
Interviewerin: Wie lange warst du im BgH?
Miri: Von ca. 9.30 Uhr bis nächsten Mittag. Ich hatte ja keine Uhr und als ich auf Station kam, gab es schon Mittagessen.
Interviewerin: Wie war es danach für dich?
Miri: Ich war froh da raus zu sein und kam auf Doppelbude. Mit der hab ich mich gut verstanden.
Interviewerin: Wir war dann dein Alltag?
Miri: Die 1. Woche war normal, ob Aufschluss, Basteln oder Sport.
Interviewerin: Und dann?
Miri: Wurden Schutzmaßnahmen getroffen. Erst fiel nur Basteln und Sport aus dazu 21,5 Stunden Einschluss. Von 8 bis 9.30 Uhr Aufschluss, dann eine Stunde Hof und dann zu.
Interviewerin: Hattet ihr irgendetwas auf dem Haftraum? Radio oder so?
Miri: Nein. Nach ca. 2 Wochen bekamen wir ein Radio, weil wir uns immer am Fenster unterhalten haben.
Interviewerin: Du sprachst von Quarantänemaßnahmen. Was genau muss ich mir darunter vorstellen?
Miri: Wir wurden abgesondert von den Neuen, hatten getrennt Aufschluss und Hofgang. Allerdings nutzten wir zusammen Küche und Fernseherraum. Die Neuen mussten auch Mundschutz tragen. Zumindest auf dem Hof, ob auf Station weiß ich nicht.
Interviewerin: Haben die Bediensteten Mundschutz und Handschuhe getragen?
Miri: Mal ja, mal nein. Mal nur Handschuhe oder Mundschutz, mal beides, mal nichts.
Interviewerin: Wir haben die Info, dass unter den Gefangenen mal wieder in Fall von TBC (Tuberkulose) ist. Kannst du das bestätigen?
Miri: Ja. Eine war kurz im Krankenhaus und als sie wieder kam hat sie bestätigt, dass sie die Diagnose TBC bekam.
Interviewerin: Wurde sie gesondert untergebracht?
Miri: Das weiß ich nicht genau, da wir ja gesplittet waren.
Interviewerin: Wann warst du dann das erste Mal beim Anstaltsarzt?
Miri: Er kam noch am ersten Tag zu mir in den BgH.
Interviewerin: Hat er dich bzgl. Corona befragt und untersucht?
Miri: Nein! Er hat Fragen wegen Erbkrankheiten und Schizophrenie gestellt.
Interviewerin: Wurde dir Blut abgenommen?
Miri: Nein. Ich weiß nicht ob es wichtig ist,
aber als der Anstaltsarzt bei mir war, habe ich ihm gesagt, dass ich vor Kurzem Krätze hatte. Er fragte mich ob es weg sei. Ich sagte ihm, dass ich es nicht weiß. Er meinte dann noch, dass ich das hier auf gar keinen Fall irgendjemandem erzählen soll.
Interviewerin: Was hältst du von den Schutzmaßnahmen der JVA?
Miri: Lächerlich! Für so eine Seuche, wo man dran sterben kann viel zu wenig.
Interviewerin: Habt ihr irgendwelche Infos bekommen?
Miri: Nein! Außer, dass wir nur noch 2 Rollen Toilettenpapier pro Woche bekommen, da es draußen auch eng wird.
Interviewerin: Habt ihr sonst etwas bekommen, Handseife oder Desinfektionmittel?
Miri: Nein. Am Anfang 1x Zahnpasta, Zahnbürste, einen Kamm und 3-4 so mini Duschbad und Haarwäsche in einem, wie in Hotels – so Probedinger. Das war’s.
Interviewerin: Was müsste deiner Meinung nach in der JVA passieren?
Miri: Vor allem höhere und strengere Hygienemaßnahmen. Alle unter einem Jahr sollten entlassen werden und vor allem sollte jeder getestet werden.
Interviewerin: Denkst du das wird sich in der JVA noch zuspitzen?
Miri: Möglich ist alles!
Kommentar von Sunny zu dem Interview: Das Interview hat mich geschockt. Vor allem, dass wieder einmal jemand ohne Informationen in den BgH gesteckt wurde. Horror für jede! Und das Interview zeigt auch einmal wieder, dass die JVA nichts im Griff hat. Und Minonek hat Recht – die „Schutzmaßnahmen“ sind lächerlich. Noch ist kein Fall bei uns, aber wenn sieht es dunkel für uns aus. Wenn der Anstaltsarzt sogar rät, zu Krätze, einer hoch ansteckende über Schleimhautinfektion übertragbare Krankheit, nichts zu sagen. Was ist/wäre, dann in einem Corona-Fall? Totschweigen?!
Das Risiko der Infektion in Haft steigt von Tag zu Tag! Und das unaufhaltsam.
Man kann nur hoffen, dass bald, ganz bald die richtigen Entscheidungen getroffen werden.