Stellvertretend für die Frauen* in der JVA Chemnitz möchten wir uns von ganzem Herzen bei euch bedanken!
Am 11.04.2020 veröffentlichten wir einen Aufruf (https://de.indymedia.org/node/76658) zu den aktuellen Zustände hinter Gittern mit der Bitte gegen die verstärkte Isolation in Zeiten vom Coronavirus SARS-CoV-2 Geld für die Telefonkosten der gefangenen Menschen zu spenden und solidarische Briefe zu verschicken. Hiermit wollen wir euch über die aktuelle Situation informieren, euch aufrufen weiter solidarisch zu sein und euch danken! Im Folgenden eine Danksagung von Sunny aus der JVA Chemnitz:
„Wow 🙂 Danke ♥ 17.04.2020
Ich bin einfach nur mega sprachlos über so viel Solidarität und Hilfsbereitschaft für uns.
Ein mega Dankeschön von Herzen an jede*n einzelne*n Spender*In. Ihr seid unglaublich *smile*. Vor wenigen Sekunden habe ich erfahren, dass innerhalb nicht einmal einer ganzen Woche eine doch beachtliche Summe zusammen gekommen ist.
Ich war und bin völlig geflasht davon.
Wenn die Frauen, deren Telefonnummern ich ebenfalls dafür weitergeleitet habe dann auf ihren Kontostand sehen, weiß ich ganz sicher, dass Tränen vor Freude kullern werden. Viele davon können so nach Wochen endlich einmal wieder die Stimmen ihrer Familien, Kinder und Freunden hören. Wovon viele selber zu diesen gehören, welche am Existenzminimum leben, auch durch Corona.
♥ Danke – ihr seid großartig ♥“
Die Situation in der JVA Chemnitz ist weiterhin angespannt. Immer noch werden Informationen vorenthalten. Erst ab dem 04.05., weit über einem Monat nach dem Inkrafttreten von bundesweiten Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, soll nun auch in der JVA Chemnitz für die Ausbilder*Innen Mundschutzpflicht herrschen, weitere Maßnahmen werden noch verhandelt. Den gefangenen Menschen ist es seit dem 21.04. möglich Skype-Telefonate zu führen, jedoch sind diese auf nur 20-30 Minuten beschränkt, was eher als Vermeidungsstrategie von Aufständen als für den Ersatz der sonst 4 Stunden Besuchszeit im Monat gesehen werden kann. Katja Meier, sächsische Justizministerin bezeichnet diese Maßnahme als „familienorientierten Strafvollzug“1. In anderen JVAs, wie beispielsweise in der JVA Untermaßfeld sind die Zustände noch zugespitzter. Dort wurde der Anstaltsarzt am 07.04. positiv auf SARS-CoV-2 getestet, was zu einem zeitweiligen Dauereinschluss der Gefangenen führte. Das bedeutet 24 Stunden Einschluss in der Zelle, kein Zugang zu heißem Wasser oder Duschen. Auf der Quarantäne-Station hält dieser Zustand mehrere Wochen an! Und nach nur 13 Tagen wurde der Anstaltsarzt wieder eingesetzt. Im Abschiebeknast Geldersheim in Bayern wurden 69 Personen positiv auf das Virus getestet, einem Sammellager, in dem 600 Menschen auf engstem Raum eingesperrt sind. Trotz dieser gravierenden Umstände in den deutschen Knästen wird weiterhin an der Straflogik festgehalten. Es werden Menschen inhaftiert, die sich nicht an die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen halten, was über das Infektionsrisiko hinaus völliger Irrsinn ist und konträr zu dem steht, dass einige gefangene Menschen zu Beginn der Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie entlassen wurden. Auf der Seite der criminals for freedom könnt ihr euch über aktuelle Entwicklungen zu Knästen und Corona auf dem Laufenden halten (https://criminalsforfreedom.noblogs.org/corona-news/).
Wir fragen uns weiterhin was mit den Menschen passiert und passiert ist, die in der Vergangenheit durch blitzartige Entlassungen aus den Gefängnissen einer gesellschaftlichen Infrastruktur begegnen, die weder Anlauf- noch Beratungsstellen bietet – da unabhängige Auffangstrukturen und Orte fehlen, die ihren Schwerpunkt nicht auf Funktionsfähigkeit im Sinne der kapitalistischen Logik setzen. Damit wollen wir nicht sagen, dass wir uns gegen die Freilassung von Gefangenen aussprechen, vielmehr sehen wir den gesellschaftlichen Misstand von Auffangstrukturen für Menschen, die aus der sozialen Isolation im Gefängnis wieder in die Gesellschaft fei gelassen werden. Auch ist es zu Zeiten von Corona erheblich erschwert eine Lohnarbeit zu finden – wir haben von Menschen gehört, die wegen einer Geldbuße einsaßen (Ersatzfreiheitsstrafe) und frei gelassen wurden, nun jedoch aufgefordert werden in einem kurzen Zeitrahmen ihre Geldstrafe abzubezahlen, da sie sonst nach den Beschränkungen wieder im Gefängnis landen werden – wo soll das Geld herkommen?
Unsere Freundin Sunny berichtet weiterhin von staatlicher Willkür und Einschüchterungs-versuchen seitens der JVA: So wurde sie mehrmals wegen eines ihr gewidmeten Blogs (freiheitskomitee4sunnyw.blackblogs.org), auf dem ihre Artikel veröffentlicht werden, zur Anstaltsleitung zitiert und ihr wurde gedroht, sie würde sich „auf rechtlich dünnem Eis bewegen.“ In der JVA Köln-Ossendorf befindet sich Hülya mittlerweile im Haus 10, dem Untersuchungshafthaus, muss aber trotzdem jeden Umschluss mit anderen Gefangenen beantragen.
Die Lage in den Knästen ist weiterhin fatal. Mittlerweile berichten einige Medien schlaglichtartig von den Zuständen hinter Gittern. Wir hoffen, dass es nicht nur bei einem kurzen Moment der gesellschaftlichen Solidarität bleibt. Seid deshalb weiterhin solidarisch und macht einmal mehr auf die derzeitige Situation in den Knästen aufmerksam. Wir hören erst auf, wenn alle Menschen frei sind.
Schreibt Briefe –
Adressen:
Christine Schwenke // Lehmkietenweg 1 // 15926 Luckau // schwenke52@gmx.de
Sandra Walter // Thalheimerstr. 29 // 09125 Chemnitz
Hülya A. // Buchnummer: 84174a //JVA Köln // Rochusstraße 350 // 50827 Köln
– geht vor die Knäste und zeigt den Menschen, dass wir sie nicht vergessen haben.
Wer Kohle übrig hat, kann diese spenden, um Telefonanrufe zu ermöglichen:
Kontoinhaber*In: SKDD // IBAN: DE57 4306 0967 1216 4248 00 // BIC: GENODEM1GLS Gemeinschaftbank eG // Verwendungszweck: Telefongeld Chemnitz
Zu allerletzt wollen wir euch ein riesiges Dankeschön entgegenbringen! Danke, dass ihr auch in diesen Zeiten solidarisch seid und aktiv gegen die Isolierung von Menschen mit ankämpft!
*Wir wollen mit dem Sternchen darauf hinweisen, dass Geschlecht sozial konstruiert ist – also nicht losgelöst von gesellschaftlichen Einflüssen betrachtet werden kann und immer wieder neu in Interaktionen beobachtet, inszeniert und hervorgehoben wird.
1https://www.justiz.sachsen.de/smj/