Offener Brief an das sächsische Justizministerium

Brief an Meier geschwärzt.cleaned

Sächsisches Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung

Frau Katja Meier

Hospitalstraße 7

01097 Dresden

 

Chemnitz, den 25. Juli 2020

Offener Brief an Frau Ministerin für Justiz und Gleichstellung des Freistaates Sachsen

Frau Ministerin Meier,

mit Besorgnis um unsere Angehörigen in Haft wenden wir uns mit diesem Brief an Sie und die Öffentlichkeit. In den sächsischen Haftanstalten herrschen untragbare Zustände, welche im Rahmen der Corona Pandemie noch einmal verstärkt wurden. Wir möchten diese hiermit der Öffentlichkeit kundtun und Sie bitten dazu Stellung zu beziehen.

Im Sächsischen Strafvollzug heißt es:

Im §3 SächsischesStrafvollzugsgesetz Abs.(4) Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.

Abs.(5) Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.

Abs. (6) 1. Der Bezug der Gefangenen zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern.

2 Die Belange der Familienangehörigen der Gefangenen sind bei der Vollzugsgestaltung zu berücksichtigen.

3 Der Erhalt familiärer Bindungen ist zu unterstützen.

4 Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden. Den Gefangenen ist sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren.

Im Rahmen der Corona Pandemie wurde einmal mehr deutlich wie isoliert unsere Familienangehörigen von uns und der Außenwelt sind. Grundlegende Mittel der Kommunikation wie Telefonieren und Videochatten werden in sächsischen Haftanstalten auch im 21. Jahrhundert noch sehr eingeschränkt. In einer Gesellschaft wo wir alle ganz selbstverständlich für wenige Euro monatlich Internet- und Telefonflatrates buchen können, sind die Inhaftierten darauf beschränkt teures Guthaben beim Anbieter “Telio” aufzuladen. Es ist nicht möglich Flatrates zu buchen oder zwischen preisgünstigeren Anbietern zu wählen. “Telio” hat die Monopolstellung im sächsischen Vollzug und kann damit die Preise frei bestimmen. In den letzten Monaten der Corona Krise, in einer Zeit, wo Besuche ausgesetzt wurden, fielen so mehrere hundert Euro monatlich an Telefongeld an. Dies steht im krassen Gegensatz zu den marktüblichen Preisen für Telefondienste.

Es wird ganz deutlich, dass damit der §3 SächsischesStrafvollzugsgesetz Abs. (4) verletzt ist. Dieunverhältnismäßig hohen Preise des Anbieters Telio führen auch dazu, dass die Kommunikation zwischen uns und unseren Angehörigen aus finanziellen Gründen nur eingeschränkt möglich ist.

Kommunikation ist ein ganz elementarer Teil von sozialen Beziehungen und der gesellschaftlichen Teilhabe, insbesondere in Haft. Eine derartige Einschränkung von Kommunikation ist ganz explizit nicht im Sinne von §3 SächsischesStrafvollzugsgesetz Abs. (5) und Abs. (6). Im April und Mai 2020 wurden den Gefangenen 120 Freiminuten auf Festnetz zugestanden. Wir sehen keine Begründung, warum dieses Zugeständnis eingestellt wurde.

Während der momentanen Besuche trennt die Gefangenen eine Scheibe von ihren Angehörigen und Liebsten. Die Skype-Telefonate begrenzen sich auf lediglich eine halbe Stunde. Das kann nicht als Ersatz für die regulären Besuche gesehen werden, die, der Risikogruppe zugehörigen Menschen oder weit entfernt lebenden Angehörigen verwehrt sind.

Uns und Ihnen sollte klar sein, dass absoluter Schutz vor dem Corona Virus nicht möglich ist, was sich aktuell an dem Fall der JVA Freiburg abzeichnet.

§3 des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes entspräche es erstens, normale Besuche mit Mundschutz und ohne Trennscheibe zu gewährleisten. Zweitens sollten, gerade in Haft, günstige Telefonflatrates zur Verfügung gestellt und die Inhaftierten angerufen werden können, da bekannt ist, dass Gefangene durch den geringen Stundenlohn und die teuren Preise in Haft arm sind.

Wenn das Justizministerium und die JVAs weiterhin so unverantwortlich mit dem Resozialisierungsauftrag in Haft, gerade während der Pandemie umgehen, sind Schäden durch den Vollzug vorprogrammiert. Das stellt eine bewusste und klare Verletzung des §3 Abs. (5), SächsischesStrafvollzugsgesetz dar.

Wir fordern Sie hiermit auf Stellung zu beziehen und unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, die dem §3 SächsischesStrafvollzugsgesetz (Abs. (2), (4), (5), (6) und (7)) entsprechen.

Mit freundlichen Grüßen,

im Namen der Angehörigen