Wer bin ich und warum mache ich das Ganze?
Ich bin Sunny W., 34 Jahre alt, zweifache Mama und sitze wegen Betruges in der JVA Chemnitz seit dem 09.08.17 für insgesamt 7 Jahre und 2 Monate.
Begangen habe ich die Betrugsstraftaten auf Grund meiner Kaufsucht ausgelöst durch meine komplexe posttraumatische Belastungsstörung in Verbindung mit rezidivierenden Depressionen und Agoraphobie mit Panikstörungen.
Wegen letzterer Erkrankung wurde ich erstmals durch einen amtsärztlichen Gutachter im März 2016 für haftunfähig erklärt. Danach erneut im Juli 2016 erst mal bis 31.08.2017. Bis zum Abschluss einer stationären Therapie. Diese wurde mir im November 2016 durch die Krankenkasse abgelehnt mit der Maßgabe ambulant sei ausreichend. Da es nicht so einfach ist einen Therapieplatz zu erhalten, fing ich erst am 02.02.2017 meine tiefenpsychologische Behandlung an (vor dem Haftantritt). Bis zu dem Beginn war es derart schlimm, dass ich in meiner Wohnung sämtliche Türen ausgehängt hatte und die Wohnungstüre mehrfach am Tag kontrolliert habe, ob diese auch nicht verschlossen ist.
Freibad und Kino oder Konzertbesuche waren völlig unmöglich. Selbst einkaufen war oft eine große Herausforderung für mich. Sobald nur ein, zwei Autos mehr vor dem Supermarkt standen bin ich weiter gefahren. Ich ging entweder früh direkt nach Ladeneröffnung oder spät abends einkaufen. Habe mehrere Jobs hingeworfen. Und meine Kinder oft im Alltag enttäuscht.
Zuhause alleine ausgehalten habe ich es max. 30 – 60 Min., dann war die Panik so groß, dass ich förmlich getürmt bin. Oder mich vor den Laptop gesetzt habe und mit Shoppen etc. versucht habe die Bilder aus meinem Kopf zu bekommen. Ich hatte Herzrasen, mir war heiß und kalt gleichzeitig, ich zitterte und hatte das Gefühl in Ohnmacht zu fallen.
Dann spielten sich Bilder in meinem Kopf ab, dass ich umfalle, mir er Kopf aufschlägt, überall Blut ist und ich tot bin.
Bilder, dass mein Ex-Partner mich so auffindet oder schlimmer – mit unseren Kindern mich tot findet.
Im November 2015 begriff ich, dass es nicht mehr weiter geht, ich Hilfe brauchte und begab mich in die Tagesklinik in Zwickau. Doch auch da gab es zwei Vorfälle, die alles nur noch schlimmer machten. Da parallel der Haftantritt kam, sorgte mein Anwalt dafür, dass ich begutachtet werde. Ergebnis: Haftunfähig.
Im Juni teilte mir die Klinik mit, dass sie mir nicht helfen könne und ich eine Traumatherapie benötige; sie diese aber nicht gewährleisten können. Wie bereits erwähnt lehnte die Krankenkasse dies ab.
Leider hatte ich parallel noch ein offenes Verfahren. In diesem Verfahren wurde ich im Mai/Juni ‘17 bzgl. Schuldfähigkeit begutachtet. An dieser Stelle muss ich anmerken, dass ich bereits 2011 und 2014 von zwei verschiedenen Gutachtern auf Grund meiner Diagnosen für vermindert schuldfähig erklärt wurde. Doch die Gutachterin war der Ansicht, dass ich mich als 8-jähriges Mädchen zu älteren Männern hingezogen gefühlt habe. (Als ich das las habe ich geweint vor Wut und Verzweiflung.) Auch ließ sie Antworten von mir komplett weg oder formulierte sie so um, dass ich völlig falsch da stand.
Dieses Lügengutachten sorgte dafür, dass trotz Haftunfähigkeit am 31.07.2017 der Haftbefehl erlassen und am 05.08. vollstreckt wurde. Die Staatsanwaltschaft widerrief am 14.08. ihren Haftaufschub. So landete ich am 09.08. 2017 in meiner persönlichen Hölle – der JVA Chemnitz.
Von Anfang an setzte ich die JVA in Kenntnis.
Mein Anwalt und ich versuchten alles, um die Haft unterbrechen zu lassen ohne Erfolg.
Anfang 2018 stellte ich einen erneuten Antrag mit meiner neuen Anwältin, stellte der JVA alle Unterlagen, Gutachten etc. zur Verfügung. Doch Hilfe erhielt ich nie!
Stattdessen musste ich mir Sätze anhören, wie „das können Sie nun mal aushalten“. Es fühlt sich an wie lebendig begraben zu werden. Man soll mir mal zeigen, wie man das einfach mal aushält.
Die JVA hat von Anfang an die Augen verschlossen.
Am 27.08.18 kam es zum wohl schlimmsten Tag bis zum 04.02.20 in Haft.
Ich kam in den BGH (Besonders gesicherter Haftraum) für 17 Stunden, wegen angeblicher akuter Suizidalität. Man fand Unterlagen, welche ich unter Panikattacken schrieb. Wo Sätze standen, wie dass ich wünschte, dass es aufhört/endet. Und auch ein Testament. Denn einige Attacken fühlen sich so heftig real an, dass ich denke wirklich zu sterben. Aber ich hatte nie vor mich zu töten!
Es war egal was ich sagte – ab BGH.
In der Zeit fand eine Fachdienstberatung statt, wo zu Tage kam, dass die JVA nicht mit mir arbeiten darf und kann, auf Grund von Fachdienstmangel.
Direkt nach dem BGH stand ich ohne alles da. Bis dato hatte ich wöchentliche Gespräche mit dem psychologischen Dienst. Alles weg!
Ich sollte begutachtet werden durch die JVA, wo zu prüfen war, ob ich eine externe Therapie benötige. Dies geschah am 28.11.18 in Bautzen.
Es bestätigte die Diagnosen alle, Ergebnis ich benötige eine externe Therapie. Eine Haftunterbrechung fand die Therapeutin, die für das System arbeitet, als nicht notwendig.
Seit Februar ‘19 hatte die JVA Kenntnis über ihres eigen in Auftrag gegebenes Gutachten. Die Gelder sollten beantragt werden. Doch immer wieder wurden wir vertröstet, egal wie oft meine Anwältin und ich anfragten. Erst jetzt im Januar (2020), als meine Anwältin einen neuen Antrag bei der Staatsanwaltschaft stellte und die JVA zur Stellungnahme aufgefordert wurde, wurden die Gelder beantragt und genehmigt. Dazu in einem Artikel von mir aber mehr!
Warum ich mich so gegen das System auflehne und einsetzte?
Wo fange ich an, wo höre ich auf?
Seit Beginn der Haft werde ich schikaniert und mein Krankheitsbild nicht ernst genommen. Damit fing alles an!
Dann habe ich angefangen mich intensiv mit allem zu beschäftigen und Dinge, Abläufe eben zu hinterfragen. Schaute bei allem genau hin. Oft tut mir allein vom Hinterfragen Abends der Kopf weh. Ohne Zweifel haben wir alle hier drinnen einst gegen Gesetze verstoßen und wurden dafür verurteilt. Doch sehe ich das System als eine der größten Straftaten am menschlichen Volk.
Das System setzt Grundrechte außer Vollzug. Unsere Bestrafung ist der Freiheitsentzug, so will es da Urteil.
Doch werde viel höhere und schlimmere Bestrafungen hinter den Mauern vollzogen. Das fängt an bei Arbeitszwang und das mitunter Schlimmste: keine sachgerechte medizinische Versorgung. Ganz zu schweigen von den psychischen Schikanen, die der Tagesordnung angehören. Das Vollzugsziel „sollte“ sein uns in die Gesellschaft wieder einzugliedern. Doch Resozialisierung findet nicht statt!!! Das Gegenteil ist der Fall! Und wehe man kennt seine Rechte, versucht diese durchzusetzen, macht den Mund auf. Dann kommt die volle Breitseite an Schikanen.
Das System und die ausführenden Objekte, die müssen in ihre Schranken gewiesen werden. Alles an Missständen muss nach draußen dringen, um so den Druck zu erhöhen und evtl. dadurch etwas ändern zu können. Der Knast macht körperlich und psychisch krank – aus starken Persönlichkeiten werden Fracks.
Das kann, will und werde ich nicht still schweigend hinnehmen!!!
Natürlich hat das wieder böse Nachwehen hier drinnen für mich. Dennoch, dadurch lasse ich mich nicht unter kriegen. Und ich kann nur hoffen, dass sich noch mehr anschließen. Umso mehr, umso besser. Irgendwann, bin ich mir sicher, können wir etwas bewegen. Und wenn die Obrigkeiten wenigstens darüber reden.
Das System wird nie eingestellt werden. Aber wenn sich wenigstens an der Ausführung grundlegend etwas ändert…
Wie wie Menschen behandelt werden, Resozialisierung nicht nur geschrieben wird, sondern auch stattfindet, haben wir einen Teilerfolg.
Und genauso lange werde ich genau dafür kämpfen!
An dieser Stelle auch nochmal einen herzlichen Dank an alles meine Unterstützer. Ohne meine zwei super T‘s wäre dieser Blog niemals möglich gewesen. Danke euch von <3
Mir ist es wichtig durch den Blog die Missstände noch öffentlicher zu machen, eine Plattform zu bekommen, um uns auszutauschen.
Wir sind nicht alleine!